44 von ihnen haben im Zuge der „Frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit“ Stellungnahmen zur genannten Planung abgegeben. Große Bedenken haben die meisten Einwohner, weil für die Neubauten sechs Gebäude weichen müssen; im einzelnen sind das das derzeitige Sparkassengebäude, ein Wohnhaus auf dem Sparkassengelände, das einstige Haus Glenewinkel und das dahinter angebaute Haus, in dem viele Jahre das Heimatmuseum untergebracht war, das Beutlersche Haus sowie die alte Post. Für die Ausarbeitung des Bebauungsplanentwurfs wurden diese Stellungnahmen ausgewertet.
Am 21. August tagt der Verwaltungsausschuss in nicht öffentlicher Sitzung; am 11. September könnte der Stolzenauer Gemeinderat den Satzungsbeschluss für die Gesamtmaßnahme fassen. Das Bauantragsverfahren ist derzeit in Vorbereitung.
Für die Beratungen zum Thema haben die Ratsmit glieder die einzelnen Stellungnahmen erhalten. Zu je der davon hat die Gemeinde verwaltung zudem eine Ant wort verfasst.
DIE HARKE greift an dieser Stelle einige dieser (weitgehend anonymisierten) Stellungnahmen auf, fasst die Anregungen und Bedenken zusammen und stellt die jeweilige Antwort/Entgegnung oder Einordnung der Gemeinde dazu. „Die Erhaltung der vorhandenen Gebäude, insbesondere der Fassaden zur Straße Allee, ist das wesentliche Anliegen der Öffentlichkeit, die sich geäußert hat. Dabei wird verkannt, dass die Gebäude mit den Grundstücken, auf denen sie stehen, privates Eigentum sind. Die Gemeinde hat keine rechtliche Möglichkeit, die Eigentümer zur Erhaltung der Gebäude zu zwingen. Selbst wenn die Gebäude unter Denkmalschutz stünden – was hier nicht der Fall ist – könnten Erhaltungsmaßnahmen nicht verlangt werden, wenn die Erhaltung die Eigentümer wirtschaftlich unzumutbar belastet“, zitiert die Gemeinde den Paragrafen 7 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes.
In den Stellungnahmen klingt immer wieder durch, dass die Gemeinde sich „für den Erhalt einsetzen soll und den Abriss keinesfalls zulasen darf“. Die Gemeinde macht ihre Sicht deutlich: „Für das Sparkassengebäude hat die Sparkasse in absehbarer Zeit keine Verwendung mehr. Es gibt die Meinung, das Gebäude sei im „Besitz der öffentlichen Hand“. Von ihr könne man den Erhalt verlangen. Eigentümerin ist die Sparkasse Nienburg, deren Träger der Sparkassenzweckverband Nienburg ist. Das Gebäude ist dementsprechend nicht im „Besitz der öffentlichen Hand“. Entscheidungen zum Beispiel über die Nutzung und den Erhalt von Gebäuden unterliegen wirtschaftlichen Erwägungen der Sparkasse Nienburg. Die hat wiederholt deutlich gemacht, dass ein Erhalt des Gebäudes Allee 4 durch die Sparkasse nicht in Betracht kommt.“
Die Kritikpunkte an der Planung sind vielfältig. Viele Bürger gehen davon aus, dass die Kaufkraft für einen weiteren Markt entweder nicht ausreicht oder aber bestehende Infrastruktur – wie Schnelle in Nendorf oder auch den Dorfladen in Leese – gefährden könnte. Große Bedenken gibt es auch hinsichtlich des zu erwartenden höheren Verkehrsaufkommens und auch wegen eines fehlenden Gesamtkonzeptes zur Verkehrsführung.
Ein weiterer Vorwurf zielt ab auf das gesamte Verfahren und die Vorgehensweise wobei immer wieder kritisiert wird, dass „übereilte Entscheidungen“ getroffen worden seien und die Bürger nicht beteiligt worden wären beziehungsweise „hinter verschlossenen Türen“ Absprachen stattgefunden hätten. Diese Vorwürfe weist die Gemeinde zurück und stellt klar dass solche Gespräche üblicherweise vertraulich geführt würden.
Zudem ist von einer „Zerstörung des Ortes“ und auch davon die Rede, dass ein weiterer Lebensmittelmarkt „überflüssig ist“ oder nur „rentabel ist“, wenn andere pleite gingen. „Ob ein weiterer Lebensmittelmarkt überflüssig ist, entscheidet nicht die Gemeinde“, heißt es dazu in ihrer Antwort, „ihr Ziel ist eine Stärkung des zentralen Versorgungsbereichs im Ortszentrum von Stolzenau und eine Verbesserung der Nahversorgung mit Lebensmitteln. Ein Teil des Umsatzes, den ein neuer Lebensmittelmarkt erzielt, wird sich durch Umverteilung von anderen Märkten ergeben. Dass sich daraus ein weiterer Leerstand ergibt, erwartet die Gemeinde nicht.“
Der Inhaber des bestehenden Edeka-Marktes spricht von einem Verdrängungswettbewerb und dadurch entstehenden neuen Leerständen. Im Normalfall regele das Kongruenzgebot solche Entwicklungen, „die hier jedoch durch ein wohlwollendes, von der Rewe in Auftrag gegebenes“ Gutachten ausgehebelt würden. Es werde versucht, das Kongruenzgebot (siehe untenstehenden Kasten) „mit äußerst aufgeweichten Gutachten zu umgehen. 65 heutige Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel und bereiten schon heute manchem meiner Mitarbeiter schlaflose Nächte“. Der Kaufmann fordert deshalb, ein „neutrales Gutachten, um das Kongruenzgebot zu wahren sowie die Rewe-Verkaufsfläche auf 1200 Quadratmeter zu begrenzen“. Die Gemeinde räumt ein, dass der Zielumsatz des Edeka-Marktes um etwa 20 Prozent zurückgehen wird – das sind in absoluten Zahlen rund zwei Millionen Euro. Eine Standortaufgabe – und damit den Verlust der Arbeitsplätze – hält die Gemeinde mit Blick auf das kritisierte Gutachten jedoch für „unwahrscheinlich“. Aus Gemeindesicht werde das Kongruenzgebot nicht „ausgehebelt“, auch weil die IHK die Analyse-Ergebnisse im Wesentlichen bestätigt habe. Von einem weiteren „neutralen“ Gutachten erwartet die Gemeinde keine neuen Erkenntnisse. Sie lehnt deshalb sowohl ein weiteres Gutachten als auch die Begrenzung der Verkaufsfläche auf 1200 Quadratmeter ab.
„Ein harmonisches Ortsbild mit einer lebendigen Kultur entsteht aus der Sicht der Gemeinde eher durch einen viel genutzten Lebensmittelmarkt als durch leerstehende Gebäude“, so die Gemeinde an anderer Stelle.
Nur eine der 44 Stellungnahmen stützt die Planung. „Halten Sie unbedingt an dem Vorhaben fest. Es ist eine absolute Bereicherung für Stolzenau. Wenn nach Aussage der Fassadenretter das Herz für Stolzenbau schlägt, muss diese Bereicherung gebaut werden. Viele Fassadenretter werden die ersten sein, wenn dieser Markt seine Tore öffnet. Gehen Sie mit der Zeit und lassen Sie Stolzenau nicht verrecken, weil manche Leute von zwölf bis Mittag denken. Mit der neuen Bebauung gewinnt Stolzenau erheblich an Kaufkraft. Wenn nichts verändert oder geschaffen wird, stirbt jede Gemeinde nach und nach aus. Denken Sie an unsere Nachkommen und entscheiden Sie sich für den Fortschritt in unsere Zukunft.“
In mehreren Stellungnahmen appellieren die Verfasser: „Der Abriss der schönen alten Gebäude im Ortskern, die einem 0815-Markt weichen sollen und so dort eine Riesenlücke an der Hauptstraße entstehen ließen, sollte unbedingt nochmal überdacht werden!“
Was mit Kongruenzgebot gemeint ist
Einzelhandelsgroßprojekte müssen hinsichtlich des Umfangs ihrer Verkaufsfläche und in ihrem Sortiment so konzipiert sein, dass sie der zentralörtlichen Versorgungsfunktion und dem Verflechtungsbereich entsprechen.
Nach diesem Gebot ist zu prüfen, ob ein geplantes Einzelhandelsgroßprojekt im Ansiedlungsbereich seinen überwiegenden Kundenstamm generieren könnte. Ein Verstoß dagegen besteht, wenn der Einzugsbereich den Verflechtungsbereich wesentlich überschreitet. Von einer wesentlichen Überschreitung ist auszugehen, wenn zu erwarten ist, dass mehr als 30 Prozent des Umsatzes von Räumen außerhalb des jeweiligen Verflechtungsbereichs erzielt wird.