Die „Überformung und Überschneidung der Landschaft“ beträfe auch Linsburg, Husum und Bolsehle. Selbst ein Erdkabel zerschneide die Landschaft mit einem 30 Meter breiten Streifen. Was tun? Die Aufforderung bei der Bürgerversammlung Donnerstagabend in Husum ist ebenso allgemeingültig wie unmissverständlich:
- Bürger, Vereine, Verbände, Gemeinden, Wirtschaft und Interessenvertretungen sollen alle, selbst die kleinsten, aber genaue Fakten formulieren, die Rechte, Landschaft, Abstände, Gesundheit, Besitz, Bewirtschaftung, Flora, Fauna, Schutzgebiete, Bau- und Bebauungs- sowie Flächennutzungspläne einschränken können.
- Die von einer Suchtrasse betroffene Bevölkerung der Gemeinde Husum kann diese Fakten der Samtgemeinde Mittelweser übergeben. Diese sortiert die Einwendungen thematisch und gibt sie an den Landkreis weiter. Der wiederum listet alle Einwendungen aus den kreisangehörigen Kommunen auf und gibt sie an die federführende Bundesnetzagentur weiter.
„Lassen Sie nichts weg“, rät Thomas Schwarz. „Die Summe der eingereichten Kriterien ist höher zu bewerten als nur einzelne, gewichtige Einwendungen.“ Der Kreis-Baudezernent legt auch den Gemeinden nahe, Fakten zu sammeln. Er warnt: „Was in dem Planverfahren anfangs nicht vorgetragen worden ist, zählt nicht und kann später auch nicht eingeklagt werden.“
Schwarz spricht von Handlungsdruck, er mahnt zur Eile, denn im halben Jahr will die Bundesnetzagentur die Abwägung der Kriterien entlang der 800 Kilometer langen Leitung mit allen Trassenvarianten abschließen. Und in dem Verfahren „wollen wir hier nicht bocken, sondern qualifiziert mitreden und auf Höhe der Informationen bleiben“, denn Gleichbehandlung und Transparenz in den Abwägungen „sind nicht unbedingt gegeben“.
Bürgermeister Friedel Fischer versichert, dass der Rat ähnlich wie Mitte der Woche die Gemeinde Heemsen eine Stellungnahme verabschieden wird, wo sich die Gemeinde begründet klar gegen eine Trasse durch die Kommune ausspricht. Er erinnert an die Zusicherung Maik Beermanns (Wendenborstel), mit Bürgern, Gemeinde- und Kreisvertretern die fortlaufende Planung der Bundesnetzagentur im Auge zu behalten und an das Versprechen, mit den gebündelten Einwendungen und Bürgersprechern zu den Antragskonferenzen zu fahren.
Fürs Repowering der TenneT-Strecke Stade- Landesbergen ist laut Schwarz die Antragskonferenz bereits in Lüneburg gelaufen. Ein Bürger warnt vor einer Diskussion über benachbarte Alternativstrecken. Die schwäche die Position der Trassen- Gegner. „Es geht hier um deutlichen Widerstand.“ Fischer assistiert: „Dort wo der Widerstand am geringsten ist, da kommt die Leitung hin.“
Schwarz berichtete über den „Kabelkongress“ in Kassel, wo es um die Alternative „Erdverkabelung“ mit einer neuen Technik ging mit einem möglichen Kostenvergleich zwischen Leitung und Kabel von bis zu 1:2. „Wenn das auf der Gesamtlänge vergleichsweise so leicht ist, dann könnte gleich entlang des ohnehin vorbelasteten Raumes Autobahn verkabelt werden.“ Der Baudezernent schloss auch das nicht aus, selbst kein eigentliches „ausschließliches Ausschlusskriterium“ wie die Windkraft, blickt Schwarz auf die Möglichkeit, auch dort per Erdverkabelung durchzukommen. Daher sei nicht von der Hand zu weisen, dass an Naturschutzgebieten vorbei Meinkingsburg, Husum und Bolsehle Windkraft, Leitung und Erdverkabelung erhalten könnten.
Und: Über die Vorzugstrasse des mit der Vorplanung beauftragt gewesenen Netzbetreibers TenneT entlang der A 7 entscheide nicht TenneT, sondern die Bundesnetzagentur. Derzeit sind die Suchtrassen etwa 1000 Meter breit. Erst im Planfeststellungsverfahren in knapp zwei Jahren werde festgelegt, wo welcher Mast stehe und wie und wo Ausgleichsmaßnahmen für den Eingriff in die Natur vorgenommen werden sollen. Apropos Ausgleich: Die den Gemeinden angebotene Entschädigung von 40 000 Euro hält Schwarz für „ein Almosen, einen Ablass“.
Die Strategie mit der Rüge
Sicher ist, dass nichts sicher ist. So lassen sich die Ausflüge des Kreis-Baudezernenten Thomas Schwarz in Husum zusammenfassen. Er empfiehlt den betroffenen Kommunen, sich an den Kosten für hochwertiges, juristisches Expertenwissen zu beteiligen, um sich darin beraten zu lassen, was konkret am Besten zu unternehmen ist, um in einem gerechten und transparenten Verfahren eine Chance zu haben, die Trasse zu verhindern. Denn die Bundesregierung treibt den Suedlink per Gesetz voran und verkürzt das Verfahren ebenfalls per (Beschleunigungs)Gesetz, so dass erst am Ende des Planfeststellungsverfahrens geklagt werden kann, und zwar gleich und einmalig vorm Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit ungewissem Ausgang, aber mit der Gewissheit, dass das Gericht naturgemäß die Bundesbelange höher gewichtet als Husumer Windkraftanlagen, schnell geänderte Flächennutzungs- und Bebauungpläne.
Da hat der Begriff der Rüge eine besondere Bedeutung. Mit dem Argument „Bundesbelange“ verschafft sie der Bundesnetzagentur bei ihrer Planung ein ganzes Jahr Luft: Gerügte Kriterien gelangen (noch) nicht in die Abwägung. Solch ein Angriff taugt selbst dann, wenn solche jungen Pläne zur Verhinderung einer Trassenstrecke rechtskräftig würden. Wie das Regionale Raumordnungsprogramm des Kreises, das mit der Windkraft am 27. Februar Rechtskraft gewänne. Das Kriterium Vorranggebiet fiele erstmal flach. So bleibt die Frage, wer schneller ist und wo das Suedlink-Verfahren ein Jahr nach der Rüge steht, die eine neue Planung mit älteren Rechten angreift. Eine Stärkung der Beteiligtenrechte wollen die Grünen in Berlin. Sie raten zur zügigen Umsetzung der Gesetzesänderungen. Ob die noch auf das laufende Verfahren Anwendung finden können, ist unklar und dürfte davon abhängen, die Bundesnetzagentur den TenneT-Antrag annimmt oder wegen Unvollständigkeit zurückweist.